Lieber Felix,

dein Lebensgefährte ist ganz unerwartet verstorben. Ursache war eine Thrombose. Würdest du uns in einigen Sätzen erzählen, wie du die ersten Stunden oder den ersten Tag nach seinem plötzlichen Tod erlebt hast?

 

Für mich hat sich in Bruchteilen von Sekunden, mein komplettes Leben geändert.

Im ersten Augenblick stand ich da und wusste nicht, ob ich lachen, schreien, gar nichts tun oder einen kühlen Kopf bewahren soll. Erst als vom Arzt die endgültige Todesnachricht kam, ist bei mir ein Vorhang runtergefahren und ich habe alles so wahrgenommen, als wenn ich in Watte gepackt worden wäre. Man steht machtlos da, sieht seinen Angehörigen in einem Krankenhausbett liegen, bildet sich ein, der Brustkorb bewegt sich doch noch zum Atmen und ist im Endeffekt trotzdem völlig machtlos. Irgendwann bin ich dann nach Hause gefahren worden und habe alles für unwahr empfunden. Fast ein bisschen wie in einem Traum, den man sehr intensiv träumt und am nächsten Tag genau weiß, was passiert ist. Die ersten Tage danach war ich teilnahmslos und mir gegenüber gleichgültig eingestellt. Man starrt leer auf einen Punkt und nimmt die Umgehung nur halbwegs wahr.

 

 

Ich finde ja, dass es sehr wichtig ist, sich bei einem plötzlichen Tod verabschieden zu können, um das Unfassbare zu „begreifen“, wichtige Dinge aussprechen zu können, um in eine gesunde Trauer zu kommen. Hattest du die Möglichkeit, dich richtig zu verabschieden? Wenn ja – magst du uns erzählen, wie es für dich war? Wenn nein – was hättest du gebraucht?

 

Nachdem die Krankenschwestern P.  in einen separaten Abschiednahmeraum gebracht haben und die Bettdecke mit getrockneten Rosenblüten bestreut haben, waren wir alle um das Bett gestanden/gesessen und haben ihn gestreichelt und fast nichts geredet. Ich persönlich hätte mehr Zeit alleine mit ihm gebraucht. Aber man hat in diesem Moment kein Zeitgefühl. Ich glaube aber, es waren bestimmt zwei oder drei Stunden. Im Endeffekt gibt es – glaube ich – nicht wirklich genügend Zeit. Man klammert sich fest, obwohl man insgeheim weiß, dass man gehen muss und nichts mehr tun kann. Jeder geht auch anders mit der Verabschiedung um und nimmt es anders wahr. Ich habe zum Glück noch drei Bilder gemacht. Diese haben mir lange Zeit geholfen, es zu realisieren.

 

 

Wie ist es für dich, wenn du so persönliche Dinge preisgibst? Machst du dir darüber Gedanken? Hast du das Gefühl, dass das darüber sprechen eher „Schaden“ anrichten könnte?

 

Nein, im Gegenteil! Es ist für mich eigentlich nochmal eine Art, um es noch mehr zu verarbeiten. Ich frage mich oft, wie ist es damals wirklich abgelaufen, was habe ich während der Reanimation gemacht, wie lief die Reanimation durch die Notärzte ab, wie habe ich es wahrgenommen, als ich in der Notaufnahme ankam? Es wird immer Fragen geben, die ich mir dadurch vielleicht beantworten kann. Ich habe wochenlang, täglich mit seiner besten Freundin telefoniert – sie war auch bei dem Reanimationgeschehen mit dabei – und wir haben uns gegenseitige Gedächtnislücken geschlossen. Das Reden mit ihr hat mir damals und auch heute noch, sehr gutgetan, um es zu verarbeiten.

 

 

Wenn der plötzliche Tod eines lieben Menschen geschieht, treffen einen so ziemlich alle Emotionen mit einem richtigen Schlag in die Magengrube. Welche war deine bestimmende Emotion? Wie bist du damit umgegangen?

 

Ich habe pure Verzweiflung und Machtlosigkeit in mir gespürt. Man denkt, fast überzuschnappen und den Verstand zu verlieren und kämpft gegen einen so unbeschreiblich extremen Schmerz an. Man kann diesen Schmerz, dieses Gefühl nicht beschreiben, wenn man es nicht selbst erlebt hat.

 

 

Hast du irgendwann Angebote in Anspruch genommen, um Unterstützung im Umgang mit deinen Emotionen und deiner Trauer zu bekommen?

 

Ich habe mir Hilfe durch eine ambulante Therapie gesucht. Es war die beste Entscheidung, die ich zum damaligen Zeitpunkt treffen konnte. Hier wurde so viel besprochen und nochmals vieles aus der Vogelperspektive betrachtet, was mir persönlich sehr viel gebracht hat, um offene Fragen zu klären.

 

 

Gibt es einen bestimmten Ort oder ein Ritual für deine Trauer?

 

Ich zünde um 16:25 immer ein Teelicht an, setze mich hin mit einer Tasse Tee und seinem Bild und höre seine Lieblingsmusik. Das ist zwar immer sehr emotional, hilft aber sehr.

 

 

Wie siehst du den Umgang mit Trauer in der Gesellschaft. Wie wurde der plötzliche Tod deines Partners in der Gesellschaft wahrgenommen? Welche Erwartungen wurden an dich gestellt? Oft wird ja erwartet, dass in einem Jahr alles erledigt ist. Wie war das bei dir und was würdest du vielleicht anderen Betroffenen empfehlen?

 

Die meisten waren sehr zurückhaltend und hatten Angst mich anzuschauen. Ein paar wenige Menschen sind auch sehr direkt auf mich zugekommen und haben mich in den Arm genommen. Wir standen dann nur umarmt da und haben geschwiegen. Ich persönlich habe fast sechs Monate gebraucht und habe Trauer getragen. Danach wollte ich aber wieder ein normales Leben führen und bin langsam und vorsichtig in den Alltag zurückgekehrt. Ich persönlich finde auch hier wieder, jeder nimmt es anders wahr und verarbeitet es anders. Ein Jahr war für mich die richtige Zeit, um die Trauer zu verarbeiten. Dann wollte ich wieder vorwärts schauen und das war gut so.

 

 

Vielen Dank Felix, für dein Vertrauen und für deine offenen Worte!

 

 

Wie kann ich dir weiter helfen? Schreibe mir!

 

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